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DFG-Förderungen für vier LMU-Forschende

11.08.2025

Tanzwissenschaftlerin Mariama Diagne, Geologe Edgar Zorn, Astrophysikerin Julia Stadler und Literaturwissenschaftler Tilo Renz erhalten Förderungen aus dem Emmy Noether- und dem Heisenberg-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

Die Vorhersagbarkeit von Vulkanen, Wasserwesen in der Kunst, Strukturen des Universums und Wissen in mittelalterlichen Texten – die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) zeichnet vier LMU-Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler im Rahmen des Emmy Noether- beziehungsweise des Heisenberg-Programms für ihre Forschung aus.

Mythisches Meer

Mariama Diagne, LMU

© Carolin Seeliger

Mariama Diagne, Professorin für Tanzwissenschaft und Performance an der LMU, erhält die Förderung einer Emmy Noether-Forschungsgruppe der DFG in Höhe von über 700.000 Euro.

Im Fokus ihres Projekts „MeerMenschen zwischen Mythos, Alltag und Nachleben. Tanzwissenschaftliche Perspektiven des Transfluiden“ stehen künstlerische, audiovisuelle und rituelle Darstellungen von Wasserwesen als Symbol- und Kunstfiguren. Dazu zählen etwa Meerfrauen, Meermänner, Mami Wata – eine mythische Wasserfigur aus westafrikanischen Überlieferungen – und Yemanjá, eine in brasilianischen Erzählkulturen verehrte Meeresgöttin. Diese Gestalten bewegen sich zwischen Mythos und Gegenwart, zwischen präkolonialen Traditionen und transmoderner Populärkultur. Ihre Verkörperungen treten in Ritualen, Performances und Filmen ebenso auf wie in Alltagspraktiken und digitalen Bildwelten.

Die geografische Spannweite des Projekts von Mariama Diagne reicht vom Atlantik über Brasilien und Westafrika bis Polens Hauptstadt Warschau, deren Wappen eine Meerjungfrau trägt. Die Vielfalt der Wasserwesen spiegelt sich dabei auch in den Orten ihrer Erscheinung wider: an transatlantischen Küsten, in Kunsträumen weltweit – und am See vor Schloss Nennhausen in Brandenburg, dem Entstehungsort der romantischen Figur Undine.

Mariama Diagne analysiert diese Figuren als Körper in Bewegung, die normative Vorstellungen von Geschlecht, Identität und Kanon hinterfragen. „MeerMenschen“ brechen ihr zufolge den Kanon stereotyper Bewegungen und Körperbilder – und fordern etablierte Kultur- und Kunstvorstellungen heraus. Gleichzeitig werden in ihrem Projekt aktuelle Trends wie das „Mermaiding“ beobachtet – das zunehmend populäre Schwimmen mit Fischschwanz. Mit ihrer Forschung schlägt Diagne eine Brücke zwischen Tanzwissenschaft, Transmoderneforschung und postkolonialer Kulturtheorie – und leistet einen Beitrag zur Reflexion ästhetischer und politischer Körperbilder im globalen Kontext.

Vulkane: Gefahren nach dem Ausbruch

Edgar Zorn, LMU

© Edgar Zorn, CC 4.0

Dr. Edgar Zorn ist Geowissenschaftler am Department für Geo- und Umweltwissenschaften der LMU. Für seine Vulkanforschung erhält er im Rahmen des Emmy Noether-Programms eine Förderung von rund 1,5 Millionen Euro. In seinem Projekt „Deformation und Instabilität an Vulkanflanken durch Kompaktion eruptiver Ablagerungen“ wird er in den kommenden sechs Jahren erforschen, wie sich Vulkane nach explosiven Ausbrüchen verändern – und wie sich daraus resultierende Gefahren künftig besser vorhersagen lassen.

Vulkane wachsen durch die schnelle Ablagerung von Lava und Gesteinstrümmern bei Ausbrüchen. Dieses heterogene Material beginnt nach der Eruption zu kompaktieren – also sich unter dem eigenen Gewicht und durch Abkühlung zu verdichten. Dabei entstehen Spannungen und Verformungen, die ganze Vulkanflanken destabilisieren können. Solche Instabilitäten reichen von kleineren Felsstürzen bis zu katastrophalen Hangabbrüchen mit weitreichenden Zerstörungen. Frühere Ereignisse dieser Art zählen zu den folgenschwersten Vulkankatastrophen weltweit – sie sind bislang kaum verstanden und schwer vorhersehbar.

Zorn untersucht per Satellitendaten und Feldmessungen post-eruptive Deformationen an Vulkanen weltweit. Im Labor analysiert er physikalische und mechanische Eigenschaften der vulkanischen Ablagerungen. Mithilfe numerischer Modelle verbindet er die Ergebnisse beider Methoden – um zu verstehen, wie Instabilitäten entstehen und Risiken besser eingeschätzt werden können.

Erzähltes Wissen im Mittelalter

Tilo Renz, LMU

© Tilo Renz / Lorenz Becker

Der Literaturwissenschaftler Dr. Tilo Renz erforscht die deutschsprachige Literatur des hohen und späten Mittelalters – mit besonderem Fokus auf dem Wissen, das literarische Texte ihrerzeit vermitteln konnten. Seit August 2025 wird seine Forschung am Institut für Deutsche Philologie der LMU im Rahmen des Heisenberg-Programms der DFG für fünf Jahre mit bis zu 600.000 Euro gefördert.

Unter dem Titel „Sammeln, Ordnen, Präsentieren. Erzähltes Wissen im Mittelalter“ bündelt Renz drei Projekte, die sich mit unterschiedlichen Formen und Inhalten mittelalterlichen Wissens beschäftigen. Im Zentrum steht die Frage, wie literarische Texte Praktiken des Sammelns darstellen – etwa durch die gezielte Auswahl und Kombination von Objekten innerhalb von Erzählungen. Dabei greift sein Projekt unter anderem Ansätze aus den sogenannten „Thing Studies“ auf, die auf die Bedeutung von Gegenständen für erzählte Welten und Handlungskonstellationen aufmerksam gemacht haben.

Renz analysiert, welche Ordnungsprinzipien und Bedeutungen den erzählten Objektkombinationen zugrunde liegen – und wie sich literarische Darstellungen mit historischen Formen des Sammelns verknüpfen lassen, etwa mit Kirchenschätzen oder fürstlichen Sammlungen. So eröffnet sich ein neuer Blick auf eine Wissenspraxis des Mittelalters, deren kulturelle und ästhetische Dimension bislang nur in Ansätzen erforscht ist.

Darüber hinaus widmet sich Renz zwei weiteren Teilprojekten: Zum einen analysiert er mittelalterliche Paradiesdarstellungen als literarische Entwürfe idealer Gesellschaftsformen. Zum anderen erarbeitet er eine digitale Edition eines spätmittelalterlichen Alexanderromans, die neue wissensgeschichtliche Zugänge zu diesem Text eröffnen wird.

Großräumige Strukturen im Universum

Julia Stadler, LMU

Die Astrophysikerin Dr. Julia Stadler gründet eine neue Forschungsgruppe an der Universitätssternwarte der LMU. Im Rahmen des Emmy-Noether-Programms der DFG wird ihr Vorhaben mit rund 1,6 Millionen Euro gefördert.

In ihrer Forschung analysiert Julia Stadler großräumige Strukturen in der Galaxienverteilung des Universums. Diese werden zwar von modernsten Teleskopen sehr genau vermessen und können zu einem völlig neuen Verständnis von Ursprung und Entwicklung des Universums beitragen. Das wissenschaftliche Potential der Daten vollständig auszuschöpfen ist jedoch bislang eine Herausforderung.

Das Team um Julia Stadler will daher ein neues Verfahren zur Datenanalyse etablieren, das Rückschlüsse mit sehr hoher Präzision und Genauigkeit erlaubt. Ihr Ansatz basiert auf einem Rechenmodell, das die räumliche Entwicklung großräumiger kosmologischer Strukturen von der Zeit kurz nach dem Urknall bis zu ihrer Beobachtung durch den Menschen nachzeichnet. Dieses Modell ermöglicht einen dreidimensionalen Abgleich der simulierten Strukturen mit den räumlich vermessenen Beobachtungsdaten.

Während konzeptionelle Arbeiten – darunter ihre eigenen – das Potenzial eines solchen Ansatzes demonstrieren, wird das Team die Technik ausarbeiten und auf neueste experimentelle Datensätze anwenden. Dabei kombiniert das Team störungstheoretische Rechenmethoden mit einer präzisen Berücksichtigung beobachtungsbedingter Verzerrungen und überprüft die Ergebnisse anhand numerischer Simulationen. Mit modernen Methoden aus Statistik und maschinellem Lernen wollen die Forschenden so das volle wissenschaftliche Potenzial der Daten ausschöpfen und damit neue kosmologische Entdeckungen möglich machen.

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